Was bedeutet es, Pilot zu sein? Und vor allem: Wie wird man Pilot?
Das haben wir
Kapitän Marino Palla gefragt. Er hat über 16.000 Flugstunden, ist seit 1997 Air Dolomiti Pilot, seit 2000 Fluglehrer und seit 2013 Direktor der Flugschule Aeroclub in Verona.
Wann entstand Ihre Flugleidenschaft?
Ich bin 1969 in Rapallo geboren und habe an einem Sommertag erlebt, wie eine Canadair 215 der Feuerwehr zu einem Großbrand auf den Hügeln hinter der Stadt gerufen wurde. Mein Vater wollte mich mitnehmen, um das Flugzeug zu sehen, das nur wenige Meter von der Uferpromenade entfernt im Meer wasserte, um Löschwasser aufzutanken. Damals habe ich beschlossen, Pilot zu werden.
Wann und wie haben Sie Ihre Verkehrspilotenlizenz (ATPL) erworben?
Zuerst habe ich das Istituto Tecnico Aeronautico in Forlì besucht, dann bin ich als Reserveoffizier zur Luftwaffe gegangen. Nach einer Zeit bei den Streitkräften habe ich als Fluglotse gearbeitet und konnte mir damit die Ausbildung zum Verkehrspiloten selbst finanzieren. Danach habe ich für drei Lufttaxiunternehmen gearbeitet und schließlich am 27. Oktober 1997 bei Air Dolomiti angefangen.
Viele Leser fragen uns nach dem Type Rating. Können Sie uns erklären, was diese „Spezialisierung“ genau ist?
Die technische Ausbildung eines Piloten besteht im Erwerb verschiedener Lizenzen und Qualifikationen sowie auf viel Theorie. Wenn man die ATPL-Theorieprüfung bestanden und die Verkehrspilotenlizenz erhalten hat, kann man sich bei einer Fluggesellschaft* bewerben. Nach der Einstellung durchlaufen die neuen Piloten und Pilotinnen eine weitere Spezialisierung, die das Flugzeugmuster betrifft, in dem sie eingesetzt werden. Ziel ist es, alle theoretischen und praktischen Fähigkeiten zu erwerben, die für die Tätigkeit als Besatzungsmitglied in diesem Flugzeugmuster erforderlich sind. Das ist das sogenannte Type Rating bzw. die Musterberechtigung.
*Air Dolomiti bietet jungen Piloten, die schon eine Fluglizenz besitzen und das Auswahlverfahren per Direkteinstieg bestanden haben, diese Ausbildungskurse kostenlos an.
Was zeichnet die Embraer 195 aus, das Flugzeug, das in der Air Dolomiti Flotte vielfach eingesetzt wird?
Embraer sind moderne Flugzeuge. Man bedenke, dass der erste Prototyp, die EMB 110 Bandeirante, bereits 1972 im Einsatz war. Unsere
Embraer 195 sind sehr leistungsstark und verfügen über ausgezeichnete Reise- und Steiggeschwindigkeiten. Da sie mit modernster Avionik ausgestattet sind, sind sie auch „einfach“ zu steuern und zu fliegen. Früher mussten Piloten während des Fluges mehr eingreifen. Heute sind Flugzeuge mit viel digitaler Technik ausgestattet. Die automatische Enteisung und die Möglichkeit der automatischen Landung zum Beispiel erleichtern uns die Arbeit und garantieren die Sicherheit auch bei schlechter Sicht und besonderen Wetterverhältnissen.
Und was ist Ihre Lieblingsstrecke?
Die, die ich noch nicht geflogen bin. Es ist immer schön, davon zu träumen, neue Horizonte und Landschaften zu sehen und neue Menschen und Gepflogenheiten kennenzulernen.
Verraten Sie uns, auf welcher Strecke Ihr Lieblingspanorama liegt?
Ich liebe die Berge, deshalb fliege ich immer wieder gerne über die Dolomiten – nach denen übrigens unsere Gesellschaft benannt wurde. Besonders der Flug über das Tal Alta Badia bietet mir immer wieder neue Perspektiven und ich erkenne sogar die Skipisten und Wanderwege wieder, auf denen ich im Winter oder Sommer unterwegs bin. Jede Saison bietet ein anderes Schauspiel.
Ihre Tipps für angehende Verkehrspiloten?
Der Job des Piloten gilt als einer der wenigen „romantischen“ Berufe, die es noch gibt. Aber das ist kein guter Grund, Pilot zu werden.
Ich sage meinen Schülerinnen und Schülern immer, dass sie sehr, sehr motiviert sein müssen. Der Pilotenberuf setzt eine anspruchsvolle Ausbildung voraus, für die man viel lernen und viele Opfer bringen muss. Das hat nichts mit den Unterrichtsmethoden am Gymnasium zu tun. Hier haben wir Datenbanken mit 12.000 Fragen zur Vorbereitung auf die ATPL-Theorieprüfungen, Lehrbücher, Handbücher, Navigationskarten, Checklisten und vieles mehr.
Mein Rat: Seid dazu bereit, euch geistig und körperlich voll einzusetzen, die eigenen Emotionen stets im Griff zu haben, Selbstbeherrschung zu erlernen und immer eine positive Einstellung allen Situationen und Mitmenschen gegenüber zu haben.
Und welche Qualitäten sollte ein angehender Pilot mitbringen?
Zielstrebigkeit, Begabung für technische Disziplinen – und eine heimliche Leidenschaft für Geografie. Als Schüler hab ich zum Beispiel immer stundenlang im Atlas geblättert ... Schon damals war es mein größter Wunsch, die Welt zu entdecken.